Authentisch sein im Job? Sinn oder Unsinn?

Bild mit bunten gezeichneten Gesichern. Moderner Stil

photo: luc van loon @unsplash

„Sei doch einfach nur du selbst“, steht in schönen Buchstaben auf der tollen Hochglanzpostkarte … und ich möchte kotzen.
Ich kann diesen Spruch nicht mehr hören. Er ist Mist.

Wieso? Nun, zum einen ist es eben nicht einfach, einfach nur man selbst zu sein. Wenn es so einfach wäre, könnte die ganze Selbstoptimierungsindustrie mit den tausenden von Büchern und Chacka-Motivations-Rednern, ach nein, die heißen jetzt Speaker, einpacken.

Schau dich um. Wie viele Menschen in deiner direkten Umgebung wissen wirklich, was sie ausmacht. Ich kann dir aus meiner Praxis erzählen, dass die Frage nach dem „Was macht dich aus?“ regelmäßig viele ins Grübeln bringt. Wie viele Menschen stecken in einer Sinnkrise und fragen sich nach dem Warum ihrer Existenz?

Zum anderen, wie sähe unsere Welt aus, wenn jeder Mensch einfach nur so wäre, wie er nun mal ist. Ich denke da an Donald Trump.
Und genau aus diesen Gründen nervt mich dieser Spruch „Sei doch einfach nur du selbst“.


Authentisch sein. Was ist das eigentlich?

Streng genommen heißt authentisch sein soviel wie „man selbst sein“.
Weißt du wirklich, wer du bist? Oder gibt es da Seiten (die sogenannten Blinden Flecken), die du nicht siehst oder nicht sehen willst. Keine Panik, die hat jede:r von uns.

Nehmen wir an, du kennst dich in und auswendig. Kannst du dich dann immer genauso zeigen, wie du bist? Ja, wenn du in deinem eigenen kleinen Universum leben würdest. Das ist jedoch nicht der Fall.

Du lebst in einer Gesellschaft mit Normen und Werten. Oder fändest du es gut, wenn Leute nackig in den öffentlichen Verkehrsmitteln sitzen oder gar bei dir in der Arbeit, weil sie nun mal sie selbst sein wollen und eben Nudisten sind?



Voraussetzungen für’s authentisch sein

Echt sein beginnt da, wo du dich mit dir selbst auseinandersetzt. Es setzt ein hohes Maß an Selbstreflexion voraus.

Authentische Menschen kennen ihre Gefühle, ihre Stärken und Schwächen. Sie sind ehrlich gegenüber sich selbst. Das ist mutig, denn sich die eigenen Schwächen einzugestehen und anzuerkennen, ist nicht immer einfach.

Authentische Menschen setzen sich mit ihren Werten und Motiven auseinander und sie leben und handeln danach. Spätestens hier fallen die Opportunisten auf die Schnauze. Der authentische Mensch hingegen steht zu seiner Meinung und zu seinen Überzeugungen, auch bei Widerständen.

Dazu braucht es Mut und Rückgrat. Hier zeigt sich die wahre Stärke eines Menschen.


Warum sind authentische Menschen so anziehend?

Es gibt Menschen, die wir als authentisch wahrnehmen. Sie machen auf uns einen sehr natürlichen, ungekünstelten Eindruck. Ihr Auftreten (Stimme, Klamotten, Körpersprache) wirkt stimmig.

Wir glauben, sie einschätzen zu können. Wir haben das Gefühl, sie sind genauso, wie wir sie erleben. Das gibt uns Sicherheit.



Authentisch sein ist das neue Cool

Wenn man sich so umhört, kann es sich heutzutage niemand mehr erlauben, nicht authentisch zu sein. Authentisch sein ist total angesagt. Viele geben sich das Label gleich selbst „Hey, seht her, ich bin so authentisch!“.

Komisch ist nur, je mehr Menschen sich als authentisch bezeichnen, desto mehr vermisse ich authentische Menschen.

Viele Menschen verwechseln authentisch sein mit einer Maske, die man mal schnell aufsetzt, wenn sie einem einen Vorteil bringt. Kaum ist die Kamera oder Aufmerksamkeit weg, zeigen sie das wahre Gesicht.

Auf Instagram könnte man hierzu wahre Feldstudien betreiben.



Muss ich in der Arbeit authentisch sein?

Bei dieser Frage gibt es sicherlich zwei Lager.

Die Fürsprecher sagen, dass es absolut erforderlich ist, in der Arbeit authentisch zu sein. Sie sind sich sicher, dass es in Organisationen, in denen alle Beschäftigten authentisch sind (gibt es sowas in der Realität?), weniger Fluktuation gibt und die Menschen glücklicher seien.

Die Kritiker sagen, in der Arbeit hat Authentizität nichts verloren. Du sollst einfach nur deinen Job machen und deine Befindlichkeiten gefälligst zu Hause lassen.



Authentisch sein in der Arbeit? Das geht!

Nach den eigenen Werten und Motiven zu leben und zu handeln, finde ich sehr wichtig. Sie geben einem die Richtung vor. Selbstverständlich ist das in der Arbeit wichtig. Es gibt dennoch Einschränkungen.

Viele verwechseln authentisch sein mit Offenheit und sie erzählen ungefiltert aus ihrem Privatleben. Authentisch sein heißt nicht, dass du deine Seele auf dem Mund trägst und der ganzen Welt deine Befindlichkeiten mitteilst. Ehrlich gesagt, fände ich es eine Zumutung, wenn jede:r Beschäftigte seine kleinen und großen privaten Dramen im Unternehmen ausbreiten würde. Oder möchtest du alles von allen wissen?

Also lieber gar nichts Privates mehr erzählen? Nein, das kann auch nicht die Lösung sein, schließlich verbringen wir sehr viel Zeit in der Arbeit. Wer gar nichts von sich preisgibt, ist schnell der Sonderling oder Eigenbrötler.

Ich rate zur klaren Abgrenzung zwischen Persönlichem und Privaten. Aus meiner Sicht geben die eigenen Werte eine gute Leitplanke, wie oben schon geschrieben. Ebenso ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen.

Übertriebene Offenheit kann nach hinten losgehen. Vor allem, wenn du bereits Personalverantwortung hast oder diese anstrebst. Das kann schnell als Schwäche ausgelegt werden und wird oft ausgenutzt.



Wir brauchen eine berufliche Authentizität

Ja, wir brauchen eine “berufliche Authentizität”, wie folgende Beispiele veranschaulichen sollen:

  • Stell dir vor, du sitzt mit deiner Führungskraft im Jahresgespräch und ihr redet über dein Gehalt. Du willst offen und ehrlich sein und sagst, dass du mit deinem Gehalt eigentlich zufrieden bist, dennoch eine kleine Gehaltserhöhung schön wäre. Oh, danke für das Gespräch. Eine bessere Steilvorlage könntest du nicht bringen und gehst (mal wieder) leer aus.

  • Was passiert, wenn dir das tolle Projekt angeboten wird und du alle deine Zweifel ungefiltert rausposaunst? Nun, das Projekt geht mit Sicherheit an eine:n Kolleg_in. Ce la vie. Die Arbeit ist keine Selbsthilfegruppe. Die Führungskraft will gar nicht zu viele Details von dir hören. Sie will, dass der Laden läuft. Unsicherheiten kommen da nicht gut.

  • In vielen Unternehmen gibt es eine (ungeschriebene) Kleiderordnung. Ist es dann nicht so, als würde man eine Maske tragen und sich verkleiden? Nun jede:r sucht sich in der Regel die Firma selber aus, für die er/ sie arbeitet.
    Wenn im Unternehmen Business-Style verlangt wird, dann solltest du dich innerhalb dieser Gegebenheiten bewegen. Dennoch kannst du deinen eigenen Stil haben.

    Wenn ich Termine in Unternehmen habe, komme ich angemessen gekleidet, jedoch nie verkleidet. Ich muss mich wohlfühlen. Ich denke, das ist ein guter Indikator.

  • Du bist ein Morgenmuffel und kommst morgens schwer in die Gänge? Lass deine schlechte Laune zu Hause, sie hat in der Arbeit nichts verloren. Soviel Professionalität kann erwartet werden.



Authentizität ist die neue “alte Sau”, die durch’s Dorf gejagt wird

Authentizität ist in aller Munde. Führungskräfte sollen authentisch führen, in den Sozialen Medien sollen wir authentisch rüberkommen. Dieses ganze authentisch sein wird irgendwie tot geredet. Authentizität, die ich sehr wichtig finde, verkommt zum Buzzword.

Im Grunde geht es doch darum, sich selbst zu kennen. Sich mit der eigenen Persönlichkeit auseinanderzusetzen und danach zu leben, natürlich innerhalb der von der Gesellschaft vorgegebenen Grenzen.

Egal, was du machst. Die Richtung ist immer von INNEN nach AUSSEN.
Wenn du mit dir im Reinen bist, hast du Ausstrahlung.
Wenn du deine eigenen Grenzen kennst, kannst du die der anderen erkennen und respektieren.
Wenn du deine eigenen Schwächen anerkennst, bist du toleranter gegenüber den Schwächen deiner Mitmenschen.

Alles beginnt bei dir.

Bevor du also anfängst, irgendwelche magischen Regeln für dein authentisches Auftreten zu befolgen, fange lieber an, ehrlich zu dir zu sein. Was macht dich aus? Welche Werte sind dir wichtig? Nach welchen Motiven lebst du? Du kommst bei den Fragen, dann melde dich bei mir. Gerne unterstütze ich dich dabei.

Authentizität ist keine Maske, die man sich schnell überzieht, weil es gerade dem Zeitgeist entspricht. Diese Maske würde sowieso abfallen, sobald Druck und Stress auftreten. Authentizität entsteht, wenn du reflektiert und ungekünstelt auftrittst. Wenn du dich an deinen Werten und Motiven ausrichtest.

Es ist viel cooler, wenn du gesagt bekommst, dass du authentisch bist, statt dir selber dieses Label zu verpassen.

PS: Hast du Lust, an deinem Authentischen Selbstmarketing zu arbeiten? Dann melde ich bei mir. In regelmäßigen Abständen findet mein Kurs “Authentisches Selbstmarketing - für deine Ausstrahlung die wirkt und Wirkung erzielt” statt. Melde dich und ich setze dich auf die Warteliste. ❤️‍🩹

Hier hab ich auch über Authentizität geschrieben: